Der Kirchenmaler Willy Burghardt aus Gelsenkirchen-Rotthausen
In den 20er-Jahren brachten die Gemeinden in ihren Kirchen Gedenktafeln mit den Namen der Gefallenen an. Eine besonders auffällig und theologisch aussagekräftig gestaltete Gedenktafel befindet sich in der Dattelner Lutherkirche, heute in einem Nebenraum hinter einem Vorhang verborgen. (Abb. 1) Es handelt sich um einen aus Holz gefertigten Altar, auf dem die Namen der Gefallenen verzeichnet sind, über denen sich ein Altarbild im Format 80 x 172 cm erhebt. Das Gemälde stammt von Willy Burghardt.
Das Bild zeigt im Zentrum einen nazarenisch gestalteten Jesus mit wallendem Gewand, Umhang und Dornenkrone, der mit nackten Füßen und ausgebreiteten Armen über ein verwüstetes Schlachtfeld auf zwei im Vordergrund liegende Soldatenkörper zugeht. Man hat den Eindruck, er werde sich gleich niederknien, um die Getöteten segnend in die Arme zu nehmen. Das Bild lebt von einer Zweigeschossigkeit, die der Zuordnung von Jesu Tod und Auferstehung entspricht, wie sie sich auch in dessen Kleidung spiegelt. Auf der Erde korrespondiert das blutrote Gewand Jesu als Ausdruck seines Leidens dem mit Holz, Stein, Draht und Toten übersäten Schlachtfeld. Der weiße Umhang leuchtet dagegen schon im „Morgenglanz der Ewigkeit“. Der Kreuzesruine auf der Erde entspricht das majestätisch in den Himmel ragende Kreuz über Jesu Haupt, das die Wolken des Untergangs energisch aus dem Blickfeld schiebt.
Wir empfinden dieses Bild heute als kitschig. In seiner Zeit stand das Gemälde freilich für eine Erinnerungskultur, die das Geschehene auch nach der Niederlage nicht kritisch reflektiert, sondern religiös sanktioniert und überhöht hat. Noch im Jahre 1919 schrieb der Theologe Karl Bornhausen folgende Sätze: „Unser Leben hängt nicht allein daran, dass wir es tapfer und freudig für das Vaterland opfern, sondern dass wir es so rein und heilig darzubringen versuchen, wie Jesus sein Leben hingab ... Wenn der Soldat Jesu tapfere Bereitschaft und Geduld sich gewinnt, wenn er um der Brüder willen zu sterben weiß: dann ist er Jesu Jünger und stirbt in seiner Nachfolge.“
Bornhausens Äußerung wirkt wie der Text zu Burghardts Altarbild. Sie zeigt, dass die Niederlage keine Reflexion über die Sinnhaftigkeit des Geschehens auslöste, sondern auch sie wieder im Sinne des alten Paradigmas als Gottesgericht gedeutet wurde. So war die Kirche nicht gut gerüstet, als 20 Jahre später erneut ein Weltkrieg vor der Tür stand.
Nachdem es von Burghardt zunächst keinerlei Spuren gab, sind jetzt zwei Bilder aufgetaucht, die Burghardt im Jahre 1922 im Altarraum der ev. Kirche in Gelsenkirchen-Rotthausen gestaltet hat (Abb. 2-4). Sie wurden im Jahre 1952 übermalt. Burghardt stammt demnach aus Rotthausen. Das Rotthausener Motiv zeigt in zwei Bildern, was das Dattelner Motiv in einem Bild zum Ausdruck bringt: Kreuz (rechts) und Auferstehung (links). Die Frage ist, wen die weibliche Figur links darstellt.
Für Hinweise zur Interpretation und überhaupt zu Burghardt sind wir dankbar.
AG (März 2015)
Abb. 4: Historische Ansicht des Altarraums in der Ev. Kirche Gelsenkirchen-Rotthausen, ca. 1922. Die Bilder von Willy Burghardt wurden im Jahre 1955 weiß übermalt;
Abb. 1: Willy Burghardt, historischer Krieger- gedächtnisaltar in der Dattelner Lutherkirche, Öl auf Holz, o.J. [Anfang 20er-Jahre]
Abb. 2: Willy Burghardt, historische Altarrückwand in der ev. Kirche Gelsenkirchen-Rotthausen (linke Seite), 1922
Abb. 3: Willy Burghardt, historische Altarrückwand in der ev. Kirche Gelsenkirchen-Rotthausen (rechte Seite), 1922