Ausstellung: Luther im Visier der Bilder

Ein begeisterter Besucher der Ausstellung erstellte folgendes Video und schrieb:

"Ich habe die Ausstellung "Luther im Visier der Bilder" vom Institut für
Kirchliche Zeitgeschichte des Kirchenkreises Recklinghausen besucht, die
jetzt im Institut für Stadtgeschichte Recklinghausen, Hohenzollernstr. 12,
gezeigt wird. Einen kleinen Eindruck der Ausstellung zeigt mein kleines
Video.
Die große Zahl der Luther-Bilder und Exponate vermittelt einen sehr guten
Eindruck über mehrere Jahrhunderte, ist vielfältig gestaltet und bietet die
Möglichkeit, sich weiter dem Reformator "bildhaft" zu nähern. Im 500.
Jubiläumsjahr der Reformation kann ich diese Ausstellung daher besonders
empfehlen. Ein Besuch lohnt sich (auch für auswärtige Gäste).
Rainer Kurella, Recklinghausen"

Rainer Kurella, Recklinghausen

Bilder:
1, 2, 3, 7: Hofmann (Recklinghausen)
4, 5, 6: Soika (Recklinghausen)

Katalog

Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen, der am Eingang gegen einen
Unkostenbeitrag erworben werden kann. Der Katalog umfasst 100 Seiten. Er
enthält eine kurze Einleitung in die Geschichte des Lutherbildnisses. Im
zweiten Teil finden sich alle 55 Exponate farbig abgebildet und
kommentiert.

Bericht von der Vernissage am 8. Oktober 2017

Es gibt nicht das eine richtige Bild des Reformators, es gibt viele: „Luther als milde lächelnder Pietist, als skeptisch blickender Aufklärer, als romantisches Genie, als visionärer Monarchist, als Glaubensheld, Prediger, Ketzer, Freiheitskämpfer - aber auch als ‚Nationalsozialist‘. Erkennbar wird die Geschichte einer Nation im Spiegel der Bildnisgeschichte eines Individuums“, schreibt Professor Dr. Geck in seinem dem Katalog, der zur Ausstellung erschienen ist.


Die Person Martin Luther, mit der alles begann, war und ist bis heute auch eine Projektionsfläche für das Selbstverständnis derer, die sich auf ihn beziehen. Ein Bildnis allein bleibt trügerisch, es kann einen selbst und andere sogar in die Irre führen. Jeder Künstler, der sich daran in den letzten 500 Jahren versucht hat, erzählt auf seine Weise und im Gewand von Kupferstich, Stahlstich, Radierung, Lithographie, Objekt oder Druck auch etwas von seinem individuellen Selbstverständnis, das sich in Auseinandersetzung mit der Person Martin Luthers geschärft und profiliert hat. Die Lutherbildnisse, die Geck auf Einladung des Stadtarchivleiters Dr. Matthias Kordes im Institut für Stadtgeschichte an der Hohenzollernstraße 12 vom 8. Oktober 2017 bis zum 20. Januar 2018 zeigt, sind nur ein kleiner, aber aussagekräftiger Teil der seit 1992 im IKZG-RE gesammelten Schätze.

Er ist ein Spiegel der Kirchen- und Kulturgeschichte mit sich teils ergänzenden, teils einander widersprechenden Deutungen von Person, Werk und Wirkung Luthers bis heute. Von der „Herausforderung, sich mit Luther näher auseinanderzusetzen “ sprach daher Bürgermeister Christopher Tesche zur Eröffnung der Ausstellung, von einer „eindrucksvollen Seh- und Denkschule“ die Superintendentin des Ev. Kirchenkreises Recklinghausen Katrin Göckenjan in ihrem Grußwort an die rund 130 Gäste, von denen einige eine weite Anreise hatten.

Die Ausstellung ist ab sofort für die Öffentlichkeit zu den üblichen Öffnungszeiten zugänglich. Schulklassen und größere Gruppen werden gebeten, sich im Institut für Stadtgeschichte, Hohenzollernstr. 12, unter der Telefonnummer 02361-50-1902 anzumelden.

(Gert Hofmann)

Bericht von der Finissage am 20. Januar 2018

Was bleibt von Luther nach dem Reformationsjubiläum?

Was der Ertrag des Reformationsjubiläums 2017 ist, werden wir vermutlich erst in ein paar Jahren genauer wissen. Der Wittenberger Historiker und Theologe Benjamin Hasselhorn aber provoziert schon jetzt bewusst mit dem Titel seines Buches „Das Ende des Luthertums?“ Und bot sich damit als Gesprächspartner zur Finissage der Luther-Ausstellung des Instituts für Kirchliche Zeitgeschichte des Kirchenkreises Recklinghausen (IKZG-RE) im Institut für Stadtgeschichte Recklinghausen an der Hohenzollernstraße 12 an. Die Ausstellung war dort vom 8. Oktober 2017 bis zum 26, Januar 2018 zu sehen.

 

RECKLINGHAUSEN - In dieser Woche endete die gut besuchte Ausstellung „Luther im Visier der Bilder“ im Institut für Stadtgeschichte an der Hohenzollernstraße 12. Kurator war Prof. Dr. Albrecht Geck, der ehrenamtliche Leiter des IKZG-RE. Nicht die Ausstellung aber war das Thema der Finissage am vergangenen Samstag, sondern die weiterführende Frage, welche in die Zukunft weisenden Impulse von dem Reformationsjubiläum 2017 ausgehen.

Zunächst dankte Dr. Matthias Kordes, der Leiter des Instituts für Stadtgeschichte, dankte als Gastgeber für die gute persönliche Zusammenarbeit mit Geck und erinnerte an ein im Jahre 2018 anfallendes reformationsgeschichtliches Jubiläum, nämlich das Erscheinen der 95 Gegenthesen des Dominikanermönches Johann Tetzels im Jahre 1518. Tetzel war Luthers Gegner im Ablassstreit, der damals die Reformation auslöste.

„Wenn sich etwas über Jahrhunderte erhalten hat, muss es etwas Wichtiges, Prägendes gewesen sein“ – würdigte Bürgermeister Christoph Tesche (CDU) die Reformation in seinem Grußwort. Er blickte auf das zurückliegende Reformationsjubiläum in Recklinghausen zurück und lobte dessen positive Resonanz in den Herzen und Köpfen der Menschen: „Sie haben alles richtig gemacht.“

Im Anschluss stellte Geck den neuen Band der Reihe des IKZG-RE vor, der die Vorträge des „Dreifachjubiläums im Ev. Kirchenkreis Recklinghausen“ vom 27. März 2017 sowie einige kleinere Arbeiten aus dem IKZG-RE zu Luther und seiner Wirkung enthält. Es finden sich darin u. a. Matthias Kordes‘ Vortrag über katholische Resilienz im kurkölnischen Vest Recklinghausen vor 500 Jahren, Jürgen Kampmanns Vortrag über die Einführung der Union im preußischen Westfalen vor 200 Jahren und Gecks Vortrag über den Mentalitätswechsel im Kirchenkreis Recklinghausen in den 1960er-Jahren (110 Jahre Ev. Kirchenkreis Recklinghausen). Professor Kampmann war übrigens eigens aus Tübingen angereist, um die Vorstellung des Buches mitzuerleben. Geck wies auch auf die große Bedeutung der Geschichte für die Identität gerade einer demokratisch und plural verfassten Gesellschaft hin. Geschichtliche Kenntnisse schulten das differenzierte Denken und Sprechen und nötigten zur eigenen Urteilsbildung. Es sei schließlich kein Zufall, dass der Angriff der AfD auf den demokratischen Rechtsstaat über die Kritik an der Erinnerungskultur laufe.

Damit eröffnete Geck als Moderator das Gespräch mit Superintendentin Katrin Göckenjan und Hasselhorn, der Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Stiftung Luthergedenkstätten Sachsen-Anhalt ist und im zurückliegenden Jahr verantwortlich zeichnete für die Nationale Sonderausstellung „95 Schätze – 95 Menschen“. Göckenjan akzentuierte verschiedene Aspekte des Jubiläumsprogramms hier im Kirchenkreis Recklinghausen. Nun gelte es, die intensiven ökumenischen Erfahrungen zu vertiefen, und besonders die Bedeutung der Musik für eine lebendige Kirche erlebbar zu machen. Dieses und anderes sei als „zündender Funken in die Zukunft“ zu erhalten.

In der zweiten Runde brachte Geck die Fragen der Kritiker ein: „Was gibt es da eigentlich zu feiern?“ Die Katholiken verwiesen auf die sog. Kirchenspaltung, wir selbst beklagten Luthers schlimmen Antijudaismus, andere verwiesen auf den Bedeutungsverlust der Kirche in der Gesellschaft. Hasselhorn antwortete: Es sei leichter, „eine fremde Kultur darzustellen, als die eigene.“ Und es sei ein Fehler, die Schattenseiten der Reformation zu stark zu betonen. Besser sei es, „sich in positiver Weise mit dem verbindenden Erbe auseinanderzusetzen.“ Wichtig wäre es allerdings, das spezifisch evangelische Profil in der Theologie stärker zu betonen – gerade auch im Gottesdienst, der ihm manchmal wie „Kindergottesdienst für Erwachsene“ vorkäme.
„Erst mal selbst machen!“ konterte Göckenjan, betonte allerdings auch ihrerseits die Wichtigkeit der „einleuchtenden Entdeckung Luthers vom Glauben als Geschenk Gottes“ und die reformatorische Forderung nach „Bildung für alle Menschen“. Luthers Bereitschaft, für die eigene Überzeugung gegen alle Autorität mutig einzutreten, sei vorbildlich. Luthers reformatorische Erkenntnis sei angesichts der „Selbstoptimierungsprozesse in unserer Gesellschaft, in denen sich zeigt, dass wir die Endlichkeit nicht aushalten … topaktuell“. Jedoch: „Erneuerung können wir uns nicht selber machen.“ Wichtig seien inspirierende Begegnungen, wo gemeinsam gelebt und gelernt wird: „Da wo's gebritzelt hat, da weht der Geist.“

„Hochkritisch,“ so Göckenjan, bleibe allerdings Luthers Verhältnis zu den Juden. Luther sei ihnen gegenüber nur „solange freundlich geblieben, wie sie (ihm) bekehrungsfähig“ erschienen. Geck betonte, Luthers Antijudaismus sei letztlich ein (ihm selbst als solcher nicht bewusster) Selbstwiderspruch. Man könne nicht den Glauben als unverfügbares Werk des Heiligen Geistes bezeichnen und gleichzeitig Andersgläubige zur Bekehrung zwingen wollen. Maßgeblich bleibe deshalb folgendes Zitat aus der Adelsschrift: „Ebenso sollte man die Ketzer mit Schriften, nicht mit Feuer überwinden …. Wenn es eine Kunst wäre, mit Feuer Ketzer zu überwinden, wären die Henker die gelehrtesten Doktoren auf Erden, brauchten wir auch nicht mehr zu studieren, sondern, welcher den anderen mit Gewalt überwindet, könnte ihn verbrennen.“

Hasselhorn bezeichnete  die Entstehung dreier großer christlicher Bekenntnisse als Folge der Reformation als einen „großen zivilisatorischen Fortschritt“. In der Situation der Pluralität könne Wahrheit nicht mehr von oben verordnet werden, sondern jeder müsse selbst darum ringen. Das sei Voraussetzung für Authentizität. In der Besinnung auf die großen Fragen nach Glaube, Freiheit, sozialer Verantwortung und der Rolle des Gewissens bleibe Luther eine Figur von zentraler Bedeutung. Das gelte unbeschadet seiner komplexen Persönlichkeitsstruktur, die man durchaus als problematisch empfinden könne.

Natürlich wurde Hasselhorn auch nach der Bedeutung des Titels seines neuen Buches „Das Ende des Luthertums?“ gefragt. Dieser sei „aus Frust“ entstanden, so Hasselhorn, und „aus der Erfahrung, dass ich keine Lust auf Gottesdienst mehr hatte“. Oft sei er mit mehr Ärger herausgekommen als er hineingegangen war. Hasselhorn forderte eine größere theologische Tiefe, die verloren gehe, wo man z.B. nicht mehr von der Sünde spreche. Heute heiße es: „Gott liebt dich so, wie du bist.“ Eigentlich müsse es aber lauten: „Gott liebt Dich, obwohl du so bist, wie du bist.“ Ein Mitglied des Auditoriums äußerte an dieser Stelle die Ansicht, dass auf der Kanzel zu viel von Politik die Rede sei. Man höre zu viel die persönliche Meinung des Pfarrers statt das Wort Gottes.

In der letzten Phase konnten die zahlreichen Beiträge aus dem Auditorium kaum alle berücksichtigt werden. Aus ihnen ragte ein engagiert vorgetragenes Statement von Prof. Günter Brakelmann (Bochum) hervor. Er ging noch einmal auf Luthers komplexe Persönlichkeit ein und auf die Komplexität der Wirkungsgeschichte Luthers. Eine gerade Linie von Luthers Antijudaismus zum Antisemitismus der Nazis und zum Holocaust im „Dritten Reich“ gebe es nicht, schon deshalb nicht, weil die schlimmsten anti-jüdischen Schriften Luthers innerhalb des Protestantismus nur sehr zurückhaltend überliefert wurden und von den Nazis seit den 1930er-Jahren sozusagen erst „wiederentdeckt“ werden mussten. Worauf es ankomme bei Luther sei: Die Lehre von der Rechtfertigung und – damit verbunden - von der Freiheit eines Christenmenschen.

Dieses Statement erklärte Geck zum Schlusswort der Veranstaltung. Viele Besucherinnen und Besucher nahmen nun noch einmal die Gelegenheit wahr, einen letzten Blick in die Ausstellung „Luther im Visier der Bilder“ zu werfen. Der Band „Das , Dreifachjubiläum‘ im Ev. Kirchenkreis Recklinghausen“ fand guten Absatz. Zwei Dutzend Exemplare wurden zum Vorzugspreis von EUR 10 verkauft.

GH / AG